Anna Tekampe




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Schauraum ::: Ausstellungsraum
initiert und kuratiert von Anna Tekampe

gefördert vom Kulturamt Karlsruhe



Ansicht Schauraum momentum 2010




Text zur Ausstellung:  momentum, 09/ 2010


Die fundamentale Entzauberung der modernen Wirklichkeit, so wie sie von Schopenhauer und Nietzsche beschrieben wurde, schlägt sich in einer nicht zu übersehenden melancholischen Grundstimmung unserer heutigen Gesellschaft nieder. Man spricht gar vom Posthumanismus, vom Ende des Menschen und davon dass die Zeit des Menschen bald vorüber wäre, da sich der Mensch zwischen der Decodierung seines Genoms und der Ortlosigkeit seiner unruhigen Existenz langsam auflöse. Wie Michel Foucault es in seiner Schrift „Les Mot et les Choses“ (Die Ordnung der Dinge) prophezeite (...) kann man sehr wohl wetten, dass der Mensch verschwindet wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand. (1)

Der Mensch ist bereits nahezu verschwunden und taucht nur noch als Spur auf. Gesten und Momente der Erinnerung weisen auf einen abwesenden Menschen hin. In der Ausstellung momentum versammelt x Arbeiten aus verschiedenen Schaffensphasen zu einem bildnerischen Essay. Die Videoarbeit La Reprise, eine Fotografie, die eher wie eine altmodische Daguerreotypie als ein Digitaldruck anmutet, eine Raumintervention und einige Notizen werden in anachronistischer Weise gezeigt.

In der Videoarbeit La Reprise tastet die Kamera den scheinbar endlosen Bildraum in einer ewigen Bewegung ab. Es erscheint eine Landschaft, fallende Wassertropfen, bald sieht man eine weite Landschaft, bald ein dunkles Fenster, dann eine Figur, einen Lidschlag. Umgeben von sich ewig wiederholendem Regen, Geflüster und leiser Geigenmusik ist die Zeitung der einzige Hinweis auf Ort und Zeit. Nicht von ungefähr stammt die Musik von John Cage, der sich zeitlebens mit der Zeitlichkeit und den Grenzen von Tönen und deren Wiederholung und Zufälligkeiten auseinandersetzte. Wenn x nun das Stück Cheap Imitation (Violinfassung) (2) aus dem Jahre 1977 ausgewählt, welches nahezu vollständig nur aus einer einzigen Melodielinie besteht, in die zufällige Doppelungen eingebaut sind, so stellt er damit eine Parallele zu der Geste der Erinnerung und Variation her. Die Wahrheit der Erinnerung ist immer fraglich, es bleibt nur das momentum.

Hier zeigt sich eine Verbindung zu den Denkzetteln (L'image est une création pur de l'esprit) aus dem Jahre 1994. Diese Notizen, als Artefakte ausgestellt, zeigen den Ursprung des Gedankens, der in allen Arbeiten in jeweils unterschiedlicher Form Gestalt angenommen hat. Die Mitschrift, ein Fragment aus den Schriften des französischen Lyrikers und Theoretikers Pierre Reverdy behandelt die Annäherungen von bildnerischen Wirklichkeiten und deren Verhältnis zueinander.  

1
Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge, Frankfurt a. M. 1974, S. 462.  

2
The violin version, completed in 1977, was a collaboration with Paul Zukofsky. This transcription is transposed a major third higher than the original (otherwise several notes would be out of range of the instrument) and is identical to it, except for a few passages. (Score (violin version), Edition Peters 66754)  

Text von Anna Maria Tekampe